- Altlutheraner
- Altlutheraner,die Mitglieder der evangelisch-lutherischen Freikirchen, die im 19. Jahrhundert auf dem Boden der deutschen evangelischen Landeskirchen aus dem Bestreben heraus entstanden sind, das theologische Erbe der Reformation M. Luthers v. a. gegen die staatlich verordneten Kirchenunionen, aber auch gegenüber (nach altlutherischem Verständnis) nicht bekenntnisgemäßen kirchlichen und theologischen Strömungen zu bewahren.Die Bildung lutherischer Freikirchen begann im Jahr 1830, dem Jubiläumsjahr des Augsburgischen Bekenntnisses. Unter Führung des Breslauer Theologieprofessors Johann Gottfried Scheibel (* 1783, ✝ 1843) erklärten rd. 2 500 Breslauer Lutheraner ihre kirchliche Unabhängigkeit von der durch Friedrich Wilhelm III. eingeführten Unionskirche und bildeten die erste altlutherische Gemeinde. 1841 konstituierte sich in Breslau auf einer lutherischen Generalsynode die »Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen«. Zunächst juristisch und polizeilich durch den preußischen Staat bekämpft, erhielten die Altlutheraner 1845 durch Friedrich Wilhelm IV. für ihre Gemeinden Korporationsrechte und das Recht einer eigenen, von den landeskirchlichen Behörden unabhängigen Kirchenleitung (Oberkirchenkollegium) zugestanden. Die Zahl der Altlutheraner wuchs rasch (1860 rd. 55 000); altlutherische Gemeinden bestanden v. a. in den preußischen Ostprovinzen (Schlesien, Pommern, West- und Ostpreußen), aber auch in der Rheinprovinz. Unterschiedliche Auffassungen zu Fragen der Kirchenleitung führten 1862 mit der Gründung der Immanuelsynode in Magdeburg zur zeitweiligen Spaltung (bis 1904) der Altlutheraner in Preußen. In der Folge des Zweiten Weltkriegs ging mit den Gemeinden östlich der Oder und Neiße mehr als die Hälfte aller altlutherischen Gemeinden unter. 1954 benannte sich die Kirche in »Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche« um.Außerhalb Preußens entstanden evangelisch-lutherische Freikirchen in Hannover, Hessen, Baden und Sachsen. In Baden, Nassau, Waldeck und Hessen-Darmstadt führten der Widerstand gegen eine unionistische Kirchenverfassung, im Regierungsbezirk Kassel der Widerstand (die »Renitenz«) gegen die Bildung eines Gesamtkonsistoriums (1873), in Hannover die Ablehnung des anlässlich des Zivilstandsgesetzes eingeführten Trauformulars (1878) zur Bildung selbstständiger lutherischer Kirchen. In Sachsen ist die »Evangelisch-Lutherische Freikirche« (1877 als »Evangelisch-Lutherische Freikirche in Sachsen und anderen Staaten« gegründet) aus einer Laienbewegung hervorgegangen, die zunächst noch innerhalb der (nach altlutherischem Verständnis nur nominell) lutherischen Landeskirche dem lutherischen Bekenntnis wieder Geltung verschaffen wollte. Ihr schlossen sich die selbstständigen Lutheraner in Nassau an. In ihrer Verfassung und Theologie ist die Kirche stark von der lutherischen Missouri-Synode (USA) beeinflusst. Mitglied der 1924 in Lodz gegründeten evangelisch-lutherischen Freikirche in Polen organisierten sich 1946 im Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland als »Evangelisch-Lutherische Flüchtlingsmissionskirche« neu (seit 1951 »Evangelisch-Lutherische Bekenntniskirche«).Einigungsbemühungen zwischen den evangelisch-lutherischen Freikirchen seit Anfang des 20. Jahrhunderts führten über verschiedene Formen der Zusammenarbeit und kirchliche Gemeinschaft 1972 zur Bildung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche.Viele Glieder - ein Leib, hg. v. U. Kunz (31963);W. Klän: Der Weg selbständiger Ev.-Luther. Kirchen in Dtl., in: Luther. Kirche in der Welt, Jg. 37 (1990).
Universal-Lexikon. 2012.